Tunnel zur Freiheit
13. August 1961: Die DDR schließt die Sektorengrenzen in Berlin. Die Stadt ist über Nacht geteilt. Die Flucht in den Westen wird von Tag zu Tag gefährlicher. Doch am 14. September 1962, genau ein Jahr, einen Monat und einen Tag nach dem Mauerbau, gelingt einer Gruppe von 29 Personen aus der DDR eine spektakuläre Flucht durch einen 135 Meter langen Tunnel in den Westen. Mehr als vier Monate lang haben Studenten aus West-Berlin, darunter zwei Italiener, in mühevoller Kleinarbeit diesen Tunnel gebaut. Sie setzten ihr Leben aufs Spiel - für Freunde, Verwandte, Geliebte und politische Ideale.
Weil den Tunnelbauern schon nach wenigen Metern das Geld ausgeht, kommt ihnen die Idee, den Fluchttunnel zu vermarkten. Sie verkaufen die Filmrechte an der Geschichte exklusiv an die NBC, einen amerikanischen Fernsehsender. Und so ist zum ersten Mal in der Filmgeschichte eine Kamera hautnah bei der Flucht von Menschen unter der Berliner Mauer dabei. Bilder, die wenige Tage nach der Kubakrise um die Welt gehen.
Die Geschichte wurde 1999 in dem preisgekrönten Dokumentarfilm „DER TUNNEL“ für die ARD umgesetzt. Heute, 20 Jahre später, soll der Film als „Remake“ auf HD , im 16/9 Format und in Farbe neu erzählt und geschnitten werden. Die Geschichte und das spektakuläre NBC-Material, das damals auf dem Dachboden einer der Tunnelbauer geborgen wurde, haben nichts an ihrer Brisanz und Einzigartigkeit verloren.
Die beiden Italiener Mimmo und Gigi, die damals den Tunnel für ihren Freund Peter Schmidt gegraben haben und später den Deal mit NBC abgeschlossen haben, sind bereits gestorben. Doch einige der Tunnelbauer (heute 85) leben noch. Darunter Inge und Klaus Stürmer. Zum ersten Mal sprechen sie miteinander über ein Thema, das sie untereinander seitdem nie wieder erwähnt hatten. Bei einem Fluchtversuch Ende 1961 wurden sie getrennt, er war plötzlich im Westen, während sie schwanger und einem gemeinsamen Kind im Osten ins Gefängnis kommt. Doch warum ist sie nicht mitgerannt, als er den Grenzbeamten niederschlug, und sich durch den Maschendrahtzaun in den Westen gerettet hat? Sie sollte doch mit den Kindern dicht hinter ihm bleiben, weil man wußte, dass die Vopo nicht auf eine schwangere Frau mit einem Kind schießen würde.
Als Inge nach monatelanger Haft frühzeitig entlassen wird, plant Klaus Stürmer einen Tunnel für seine Frau zu bauen und stößt so auf den Tunnel der beiden Italiener. Da die Tunnelbauer in ihm jedoch einen Spitzel vermuten, halten sie ihn im Tunnel bis zum gelungen Durchbruch am 14. September 1962 fest.
Bis dahin muß er in Doppelschichten mitgraben. An jenen Tag jedoch wird er für seinen Wagemut belohnt und nimmt endlich seine Tochter Kirsten und seinen Sohn Uwe, der im DDR-Gefängis gebohren wurde, in einer emotionalen Filmszene in Empfang. Das Bild geht um die Welt, als der Film am 10. Dezember 1962 von der NBC vor einem Millionenpublikum ausgestrahlt wurde.
Diese Geschichte bildet die Rahmenhandlung zu einem Film, der das große politischen Panorama des Eisernen Vorhangs mit emotional aufgeladenen Biografien verbindet.
Zum ersten Mal reden Inge und Klaus Stürmer über jenen Tag ihres gemeinsamen Fluchtversuchs, denn obwohl sich beide bis heute lieben, dachte doch jeder insgeheim vom anderen im Stich gelassen worden zu sein. Und so erfährt Klaus, dass seine Frau damals gerade dabei war den Bolzenschneider zu entsorgen, als er entschied, plötzlich loszurennen…
Es ist eine Geschichte über den Wagemut junger Menschen, über Vertrauen und Solidarität und über das Überwinden von Mauern und der Bewegungsfreiheit, als ein hoch geschätztem Gut.
Das spektakuläre NBC-Material, damals auf 16mm Film gedreht, bildet das visuelle Herz des Films. Es wird jetzt auf 2K gescannt und soll mit Hilfe von KI und einem aufwändigen Restaurierungsprozess in naturgetreues Farbmaterial rekonstruiert werden. Das was sich vorher über das Schwarzweiß Material in der Vergangenheit abspielte, bekommt plötzlich eine erschreckende Nähe und holt die Geschichte in die Gegenwart. Denn Themen wie Abschottung, Mauern bauen, aber auch Solidarität und Mitgefühl können angesichts der Flüchtlingskrisen in der Welt kaum aktueller sein.
Zusammen mit einem neuen Soundtrack (Musik und Sounddesign) wird dem Film unter der Regie von Marcus Vetter so ein völlig neues Seh- und Hörerlebnis verliehen.
“…herzzerreißend…”
– Daily Geek Show –
“Aussagekräftige Archivbilder…so bewegend”
– Moustique –
“”Eine Odyssee – reich an Zeitzeugen und Archivmaterial””
– Coulisses.TV –
“spektakuläres NBC-Filmmaterial digital restauriert”
– Der Spiegel –
“…einfach vorbildlich.”
– Westdeutsche Allgemeine –
“Spannend wie ein Krimi … eine der abenteuerlichsten Fluchten aus der DDR”
– Frankfurter Rundschau –
“Vetter stellt ein Kapitel der deutschen Geschichte menschlich, anschaulich, mit Herz und Verstand dar, das einfach beispielhaft ist.”
– Westdeutsche Allgemeine –
„Solange Mauern gebaut werden, wird es Menschen geben, die sie überwinden.“
– Peter Schmidt
Mit PETER SCHMIDT nimmt das „Unternehmen Reisebüro“ seinen Ausgangspunkt. Er lebte gemeinsam mit seiner Jugendliebe und ersten Frau EVELYNE und Tochter ANNETTE an der östlichen Stadtgrenze von Berlin in Wilhelmshagen. Durch den rasanten Mauerbau wurde ihm der Weg zur Hochschule der Künste im Westen abgeschnitten. Während sich für PETER das Panorama zusehends verdüstert, konnten West-Berliner die Sektorengrenze nach wie vor übertreten. Seine italienischen Freunde und Kommilitonen LUIGI „GIGI“ SPINA und DOMENICO „MIMMO“ SESTA erkennen bei einem Besuch im Osten den dramatischen Zustand ihres Freundes, der zu allem Überfluss kurze Zeit später zum Militärdienst eingezogen werden soll. Sie wollen ihm helfen.
„Wir hatten am Anfang Glück, da war einer dabei, dessen Onkel in Westdeutschland einen Sägebetrieb hatte und den hat er eingeweiht von diesem Vorhaben ohne ihm Genaueres zu nennen wo. Und dieser Sägewerksbesitzer war von der Idee so begeistert, dass er also das Holz zur Verfügung gestellt hat. Das kam dann mit dem Lastwagen nach Berlin und damit hatten wir erst mal das Abstützmaterial.“
Unbedarft stürzen sie sich in ein riskantes Unternehmen. Sie planen einen Fluchttunnel. Da sie als Kunststudenten jedoch zu wenig über den Bau eines Tunnels verstehen, wenden sie sich an die Kommilitonen von der benachbarten Technischen Universität und stoßen da auf zwei wichtige Partner – Student HASSO HERSCHEL und Tiefbauingenieur ULI PFEIFFER. Beide waren erst kürzlich in den Westen abgehauen. Ein abenteuerliches und risikoreiches Unternehmen beginnt, dessen politischer Tragweite sich die Anfang 20-Jährigen damals selbst noch nicht bewusst waren.
Nachdem etwa 20 Meter gegraben sind, geht den Tunnelbauern das Geld aus. Um weiter graben zu können, bieten die beiden Italiener dem amerikanischen Nachrichtensender NBC an, ihr Unternehmen gegen Geld zu filmen. Die schwarzweiß-Aufnahmen der NBC sind ein einzigartiges zeitgeschichtliches Dokument und Teil der Geschichte, die hier erzählt wird.
Zunächst muss eine geeignete Stelle für den Fluchttunnel gefunden werden. Da in Berlin das Grundwasser sehr hoch liegt, kommt nur eine erhöhte Gegend in Mauernähe in Betracht. Der Prenzlauer Berg scheint ideal dafür – er liegt etwa 150 Meter über Meeresspiegel. Die Bernauerstraße führt auf der Westseite mehre Kilometer an der Mauer entlang. In dieser Straße entdecken sie eine alte Porzellanfabrik, die wie geschaffen scheint für ihr Unternehmen. Dort würden sie die riesigen Erdmengen, die bei den Grabungsarbeiten anfallen, unauffällig lagern können. Dem Besitzer geben sie vor, den Keller als Musikprobenraum anmieten zu wollen. Er willigt ein. Später stellt sich heraus, daß er ihre eigentliche Absicht schnell durchschaut hatte, jedoch Stillschweigen bewahrt, weil er aus persönlichen Gründen selbst die DDR haßt.
Auf der Ostseite wird die Rheinsberger Straße angepeilt. Sie liegt in Mauernähe und ist dennoch außerhalb des kontrollierten Grenzgebietes. Dort suchen sie die Freundschaft zu einem Bulgaren, der in der Rheinsberger Straße 66 eine Wohnung hat. Während einer Party, zu der sie der Bulgare einlädt, entfernt sich MIMMI unauffällig und findet im Keller des Hauses eine geeignete Stelle für den Ausstieg des Fluchttunnels. Einstieg und Ausstieg sind gefunden. Den Berechnungen zufolge muß der Tunnel von Keller zu Keller 166 Meter lang werden. Ein Unternehmen, das ohne Geld nicht zu schaffen ist.
Die Mutter von PETER SCHMIDT hatte noch Geld auf einem Westberliner Konto liegen. Dieses Geld will sie den Tunnelbauern zur Verfügung stellen. Als DDR-Bürgerin kann sie jedoch nicht mehr an ihr Konto heran. Das Geld muß persönlich abgehoben werden. Eine Vollmacht ist die Lösung des Problems. Doch wie sollen sie die Vollmacht über die Grenze schmuggeln? Wieder hat MIMMI hat eine geniale Idee. Als Schüler hatte er einmal eine Zeitungsmeldung gelesen, in der beschrieben wurde, wie ein Schmuggler verbotene Devisen in Zigarettenpapier eingewickelt über die Grenze brachte. Sie besorgen sich auf einem ausgebleichten Schmierzettel die Unterschrift von Frau Schmidt, wickeln das Schriftstück in eine Zigarettenhülle ein und schleusen es so über die Sektorengrenze.
„Aus einer Filterzigarette entfernte er zunächst den Tabak. Dann rollte er ein Stückchen sehr dünnes Papier von circa 5×8 cm zusammen und färbte die sichtbare Fläche mit Pastellstiften tabakfarben ein. Das eingefärbte Röllchen schob er vorsichtig in die leere Zigarettenhülle und stopfte sie sorgfältig wieder mit Tabak zu. Jetzt verglich er die präparierte Zigarette mit den anderen. Auf den ersten Blick war kein Unterschied zu den anderen Zigaretten feststellbar“
Im Falle einer Kontrolle, war vereinbart, das Schriftstück zu rauchen. Sie werden nicht entdeckt. Kurze Zeit später besitzen sie das Startkapital für ihr Unternehmen.
Jetzt werden weitere Studenten der Technischen Universität in ihren Plan eingeweiht. Jeder Einzelne wird überprüft und muss größtes Stillschweigen bewahren. All diese Personen, Materialien und Arbeitsgeräte müssen Tag für Tag und Nacht für Nacht unbemerkt in den Keller des Fabrikgebäudes gebracht werden. Die DDR-Grenzgruppen verfolgen jede Bewegung auf der anderen Seite der Mauer mit wachsamem Auge. Um diese Logistik unbemerkt bewältigen zu können, besorgen sie sich einen VW-Bus. Am 9. Mai 1962 ist es so weit. Die Grabungsarbeiten beginnen. Die Fertigstellung des Tunnels ist für den 12.August 1962 geplant. 170 Meter müssen überwunden werden. Die Eltern eines Freundes besitzen eine Baufirma. Von dort holen sie sich das Baumaterial. Doch schon nach 25 Metern müssen sie aufgeben. Der Sauerstoff geht ihnen aus. Ein Faktor, den sie nicht bedacht hatten. In einer Ventilatorenfabrik in Westberlin besorgen sie einen Ventilator samt Schläuchen. Sie haben Glück. Der Besitzer schenkt ihnen das wertvolle Stück und stellt nicht einmal unangenehme Fragen.
Doch bald sind Holz, Stahl und Beton mit dem vorhandenen Kapital nicht mehr zu finanzieren. Die Mengen werden zu groß. Ein zweites Mal scheint es, dass sie aufgeben müssen. Doch auch diesmal haben die beiden Italiener eine geniale Idee. Zu jener Zeit wird in der Ufa im Tempelhof der Spielfilm “Tunnel 28” mit Christine Kaufmann gedreht. Dieser Film beschreibt das Schicksal jener Flüchtlinge, die am 24. Januar desselben Jahres unter der Oranienburger Chaussee hindurch flüchteten. GIGI und MIMMI unterbreiten der Filmproduktion das Angebot, Teile des Spielfilms statt im Studio an ihrem Orginalschauplatz zu drehen und das Unternehmen als Gegenleistung zu finanzieren.
Fritjof Meyer, Pressesprecher der Ufa im Tempelhof (heute Journalist beim Spiegel), lehnt jedoch ab. Ihm ist es zu riskant, mit einem Spielfilm-Team im Orginaltunnel der Italiener zu drehen. Er befürchtet, die Grenzpolizei der DDR könnte durch das Aufgebot an Mensch und Technik den Tunnel entdecken. Er stellt jedoch einen Kontakt zu dem amerikanischen Fernsehsender National Broadcasting Cooperation (NBC) her. Ein Redakteur von der NBC, Gary Stindt, schaut sich alsbald den Tunnel an, inspiziert auch den Ausstieg auf der anderen Seite und willigt ein, das Unternehmen zu dokumentieren. Als Gegenleistung wird ein Vorschuß von 60.000 Westmark und die gesamten deutschsprachigen Rechte am Orginalmaterial ausgehandelt. Die beiden Italiener halten diesen Deal vorerst vor HASSO HERSCHEL und den anderen Tunnelbauern geheim. Die Dreharbeiten werden also so geplant, dass immer nur in der Schicht gedreht wird, in der die Italiener und ein paar Eingeweihte im Tunnel arbeiten.
Das Tunnelende befindet sich inzwischen direkt unter der Mauer. Sie haben das DDR-Grenzgebiet erreicht. Doch dann platzt ein Wasserrohr der Kanalisation auf Westberliner Seite. Große Teile des Tunnels werden unter Wasser gesetzt.
„Der Tunnel lag ja relativ flach, nur so vier fünf Meter unter der Straße, das heißt also, der Einstieg war auch relativ flach. Das hatte nun aber den Nachteil, dass die Wasserrohre kaputt gegangen sind durch die Auflockerungen…“
Mit einem Teil des Geldes der NBC wird eine Pumpe gekauft, die die Wassermassen aus dem Tunnel herauspumpen soll. Für die Italiener wird es immer schwieriger, die Geldquelle vor den andern geheim zu halten. Der Wasserrohrbruch wird von den Westberliner Behörden nicht bemerkt. Die Tunnelbauer müssen, um das Unternehmen nicht scheitern zu lassen, die Wasserwerke benachrichtigen. Sie weihen den Leiter der Wasserwerke ein. Bald darauf wird das defekte Rohr abgestellt. Jetzt müssen sie warten, bis der Lehmboden trocken ist. Wenig später zitiert Egon Bahr, damaliger Pressesprecher von Willi Brandt, Spina und Sesta ins Schöneberger Rathaus. Der Leiter der Wasserwerke hatte nicht dichtgehalten. Egon Bahr gibt den beiden Italienern unmißverständlich zu verstehen, daß wenn ein Film über einen Fluchttunnel gedreht würde, und dies sei ihm zu Ohren gekommen, die beiden Italiener Berlin verlassen müßten. Spina und Sesta hüllen sich in Schweigen.
Dann bekommen sie einen Anruf vom Bundesverfassungsschutz. Sie sollen zu einem heimlichen Treffen am Ernst Reuter Platz erscheinen. Zu der Unterredung kommen zwei Agenten in Trenchcoat, die sich jedoch weigern ihre Identität preiszugeben. Die Tunnelbauer schlagen daraufhin vor, ihre Ausweise bei einem Polizeiposten am Ernst-Reuter-Platz überprüfen zu lassen. Darauf gehen die Agenten ein. Sie sind „sauber”. Von jetzt an ist auch der Bundesverfassungsschutz in das Unternehmen “Fluchttunnel” eingeweiht. Ein weiteres Gespräch folgt mit einem hinkenden Oberst in der Pobjelski Allee in Berlin-Grunewald. Ihm müssen sie alle am Fluchtunnel beteiligten Namen aushändigen. Der Oberst verspricht zu ihrer eigenen Sicherheit, die Namen überprüfen zu lassen. Niemand wird als Spitzel entlarvt. Der Bau des Fluchttunnels kann weitergehen.
Mehr als zwei Monate sind seit dem ersten Spatenstich vergangen. Der Lehmboden ist getrocknet und sie befinden sich jetzt direkt unter dem Todesstreifen. Die Tunnelaufspüreinheiten der DDR haben inzwischen andere Fluchtunnel entdeckt und viele Fluchthelfer verhaftet. Die Arbeit wird mit jedem Tag riskanter.
Eines Tages meldet sich ein gewisser „Fleischer” bei den Tunnelbauern. Er hat selbst einen kurzen Tunnel in Neukölln gegraben, der bereits fertiggestellt ist. Jener „Fleischer” unterbreitet dem Trio das Angebot, ihre „Leute” ebenfalls durch seinen Tunnel zu schleusen. Die Truppe bleibt skeptisch, überlässt es jedoch den Freunden in der DDR, selbst zu entscheiden, ob sie das Angebot nutzen wollen. Am Tag X werden die Personen, die das Risiko auf sich nehmen, zum Ausstieg gebracht. In den Seitenstraßen der Laubenkolonie bemerken sie LKW´s und schwarze Limousinen, die dort unauffällig parken. Die Fluchtaktion wird abgebrochen und der Fluchtunnel noch am selben Tag entdeckt. „Fleischers” Leute werden verhaftet. “Fleischer” selbst kann entkommen. Heute wissen wir, dass die Gruppe von der Stasi unterwandert wurde. Die Stasi-Archive verweisen auf einschlägige Berichte von Kurt Siegfried Uhse, der sich später nach Thailand abgesetzt hat, bevor sich seine Spur verläuft.
Das Unternehmen wird immer gefährlicher. Die Zeit drängt. GIGI, MIMMO und HASSO ändern deshalb ihren Plan. Sie recherchieren einen anderen Ausstieg – eine Straße früher – in einem Keller der Schönholzerstraße 7. Dies wird jedoch selbst vor den eigenen Leuten geheim gehalten. Sie berechnen also die Grabungsarbeiten so, dass der Tunnel direkt unter ihrem neuen Zielkeller vorbeiführt, graben jedoch weiter in die alte Richtung.
Am 14. September 1962, nach 4 Monaten und 5 Tagen buddeln, ist er endlich da, der große Augenblick. Der Keller in der Schönholzerstr. Nr.7 soll durchbrochen werden. Keiner der Fluchtwilligen weiß, wie die Flucht erfolgen wird. Für die Tunnelbauer stellt sich jetzt die bange Frage: Wo würden sie wirklich herauskommen? Würden sich ihre Berechnungen als richtig erweisen?
Der erste Durchbruchversuch scheitert. Sie stoßen auf einen Betonpfeiler. Aber sie probieren es noch einmal. Einen Meter weiter rechts. Der zweite Durchbruchsversuch gelingt.
Mit einem speziell von HASSO HERSCHEL ausgeklügeltem System werden die Freunde im Osten informiert. Sie finden sich an vorher vereinbarten Kneipen am Prenzlauer Berg ein, um dort auf weitere Zeichen zu warten. Den Kurierdienst übernimmt die ELLEN, die spätere Frau von MIMMI. Sie ist die einzige, die außer den inzwischen „verbrannten” Italienern, für 24 Stunden legal in die DDR einreisen kann. Von einem bestimmten Platz am Prenzlauer Berg aus hat sie Einsicht zu einem Wohnhaus der Bernauerstraße im Westen.
. Die Tunnelbauer beobachten von dort aus jede Bewegung im Grenzgebiet. Ein weißes Laken, das auf der Westseite aus dem Fenster hängt, signalisiert ihr, dass alles o.k. ist. Ihr Auftrag ist es jetzt, ein Lokal nach dem andern aufzusuchen, um die vereinbarten Zeichen zu geben. Sie erkennt sofort die Menschen, die auf ihre Flucht warten. Alle haben ihre besten Sachen angezogen. Einer ist sogar in seinem Kommunionsanzug gekommen. Mit größter Aufmerksamkeit beobachten diese Menschen jede Bewegung von ihr. Sie bestellt einen Kaffee bestellt und sich mit der rechten Hand eine Zigarette anzündet. Erschreckt muss sie jedoch feststellen, dass es in dieser Kneipe gar keinen Kaffee gibt. Sollte der Plan daran scheitern? Sie versucht es mit einem Kognac. Gleichzeitig beklagt sie sich lautstark über den fehlenden Kaffee. Das Zeichen wird erkannt. 3 Minuten später verlassen einige Gäste das Lokal. Es sind die Freunde. In Abständen von einer Stunde besucht sie ein Lokal nach dem anderen. Die Maschinerie der Flucht setzt sich in Gang. Nachdem sie die letzte Kneipe verlassen hat, hält sie ein Taxi in Richtung Friedrichstraße an. Dort angekommen, verabschiedet sie sich von dem Taxifahrer und drückt ihm ihr gesamtes Geld in die Hand. Ihre Notizen mit den Codes wirft sie in einen Mülleimer. Jetzt darf nichts mehr schief gehen.
Die Freunde aus der DDR kommen unterdessen in 2er und 3er Grüppchen an der Schönholzerstraße 7 vorbei und rezitieren leise als Parole Verse aus „Panzerkreuzer Potjemkin”. Einem Grüppchen nach dem anderen wird die Türe geöffnet. Sie werden die Kellertreppe hinuntergeführt. Dort befindet sich ein kleines Loch im Boden. Sie müssen die Hände hochnehmen und sich fallenlassen. Im Tunnel warten zwei weitere Fluchthelfer, um ihnen den Weg zu weisen. 29 Menschen können so gerettet werden, bevor der Tunnel durch einen Wasserrohbruch unpassierbar wird. Unter den Geretteten befinden sich HASSOS FAMILIE und unser Protagonist PETER SCHMIDT, seine Mutter, seine Frau EVELYN und ihr Kind.
Im Westen angekommen, werden die Flüchtlinge sofort in eine Westberliner Wohnung der Tunnelbauer gebracht, wo sie sich neu einkleiden können. Jeder bekommt ein kleines Startkapital, das die Tunnelbauer aus dem Vorschuss der NBC bezahlen können. In dem Berliner Zimmer jener Wohnung sind Wäscheleinen für die nassen und verschlammten Kleider der Flüchtlinge aufgespannt. An diesen Wäscheleinen hängen jedoch keine Kleider, sondern Geld. Das Geld der Familie Schmidt, die kurz zuvor ihr schmuckes Häuschen verkauft hatte, um ihr Geld in den Westen zu retten.
Im Westen angekommen, werden die Flüchtlinge sofort in eine Westberliner Wohnung der Tunnelbauer gebracht, wo sie sich neu einkleiden können. Jeder bekommt ein kleines Startkapital, das die Tunnelbauer aus dem Vorschuss der NBC bezahlen können. In dem Berliner Zimmer jener Wohnung sind Wäscheleinen für die nassen und verschlammten Kleider der Flüchtlinge aufgespannt. An diesen Wäscheleinen hängen jedoch keine Kleider, sondern Geld. Das Geld der Familie Schmidt, die kurz zuvor ihr schmuckes Häuschen verkauft hatte, um ihr Geld in den Westen zu retten.
Sie hätten mit dieser Aktion das Leben der anderen gefährden können. Doch die Tunnelbauer hatten ein weiteres Mal Glück. In einem rauschenden Fest der NBC wird die erfolgreiche Tunnelflucht gefeiert. Es ist gleichzeitig der tragische Wendepunkt für Peter Schmidt, dessen Frau Eveline sich an diesem Tag in einen der Tunnelbauer, den KLEINEN verliebt und ihn wenig später verlässt. Seine kleine Tochter, die Peter in dieser waghalsigen Unternehmung durch den Tunnel geschleust hatte, wächst in der neuen Familie auf und wird ihn bis heute nicht wiedersehen.
Der Film, den die NBC gedreht hatte, wurde auf diplomatischen Druck von Egon Bahr und Willi Brandt im September 1962, kurz vor der Kubakrise, verschoben. Dies bestätigen amerikanische Dokumente. Erst Monate später wurde der Film in über 30 Ländern der Welt ausgestrahlt. Allein in den USA sahen 30 Millionen Amerikaner die Geschichte vom Tunnel 29. Für Westberlin war es eine einmalige PR-Kampagne. Viel weiter geht jedoch der Einfluss dieser ersten live-gedrehten Flucht auf die zukünftige mediale Berichterstattung, die Entwicklung neuer TV-Formate und die gestalterischen Mittel von Dokumentarfilmen.
Die Arbeit war so anstrengend, dass noch mehr Leute benötigt wurden. Wieder ist der “Lange” Kontaktmann zu weiteren Freiwilligen: JOACHIM NEUMANN und OSKAR aus der Gruppe der WOLLANKSTRASSE stoßen zur Truppe hinzu.
Ostberlin, 1955. Der Schüler HASSO HERSCHEL wird wegen politischer Flugschriften verhaftet und zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt. Er kommt nach Bautzen, Außenstelle „Schwarze Pumpe“, in ein Gefängnis, das für seine Brutalität traurige Berühmtheit erlangt. Als er entlassen wird, lernt er seinen Freund und späteren Mittunnelbauer Uli Pfeifer kennen. Beide fliehen sie in den Westen. Hasso Herschel, der bei der Flucht seine Schwester zurücklassen muss, verspricht ihr, sie und ihr Kind nachzuholen. In West-Berlin beginnt er bald darauf ein Studium an der technischen Universität und erfährt dort auf dem Campus von den Plänen des Italieners Spina. Er beteiligt sich an dem Fluchtunternehmen und erarbeitet ein ausgeklügeltes Kommunikationssystem zwischen Fluchthelfern aus dem Westen und den Freunden und Verwandten auf der anderen Seite.
Foto: Fotograf: Unbekannt / FU Berlin, UA, DHfP-V, Sig. 3
Gorizia, Italien 1945. Die Norditalienischen Grenzstädte Triest und Gorizia werden nach dem Krieg geteilt. LUIGI SPINA, ein 9 jähriger Junge, wohnt im Westteil. Der Ostteil von Gorizia fällt an Jugoslawien. Ein Stacheldraht teilt die Stadt. 1961 beginnt LUIGI SPINA ein Studium an der Hochschule der Künste in Westberlin. Kurz danach erlebt er zum zweiten Mal die Teilung einer Stadt. Weil seinem Kommilitonen Peter Schmidt, der als Grenzgänger im Osten wohnte und im Westen studierte, durch den Mauerbau der Weg zur Hochschule der Künste für immer versperrt bleibt, will ihm GIGI helfen. Die Idee eines Fluchttunnels wird geboren.
ist der eigentliche Ausgangspunkt der Geschichte. Wegen ihm wurde der Tunnel überhaupt gebaut. Der Plan entstand bei ihm zu Hause in Ostberlin zusammen mit seinem Kommilitonen LUIGI SPINA, genannt GIGI. Während des Tunnelbaus musste er im Osten tatenlos zusehen, wie die Freunde nur langsam vorankamen und immer wieder durch Wasserrohrbrüche, Tunnelaufspüreinheiten und Spione in ihrer Arbeit gestört wurden. PETER SCHMIDT ist der Schlüssel zu vielen zwischenmenschlichen Konflikten in der Geschicht.
Berlin 1961. Kurz nach dem Mauerbau gelingt dem aus Bautzen stammenden ULI PFEIFFER die Flucht durch die Berliner U-Bahn-Untertunnelung. Seine langjährige Freundin sollte einen Tag später nachkommen. Doch sie wird verhaftet und zu einer 10 jährigen Haftstrafe verurteilt. Für ULI PFEIFFER bricht eine Welt zusammen. Über HASSO HERSCHEL erfährt der inzwischen diplomierte Tiefbau-Ingenieur von dem Plan der Italiener. Seine exakten Statik- und Verlaufsberechnungen des Tunnels sind die Voraussetzung für ein Gelingen des Unternehmens.
Gorizia, Italien 1956. Aufstände in Ungarn. Solidaritätskundgebungen in der Italienisch-Jugoslavischen Grenzstadt Gorizia, in die auch der aus Apulien stammende Abiturient Domenico Sesta hineinschlittert. Domenico, dessen Vater als Italienischer Soldat im spanischen Bürgerkrieg gefallen ist, war bis zu seinem 15 Lebensjahr in einem Priesterseminar untergebracht, bis er schließlich nach Gorizia kam, um dort sein Abitur zu machen. In Gorizia lernt er LUIGI SPINA kennen. Nach dem Abitur folgt er seinem Freund nach Westberlin, um dort Architektur zu studieren. Gemeinsam mit GIGI entwirft er den Fluchtplan.
Produktionsjahr | 2020 |
Eine Produktion von | Filmperspektive |
In Koproduktion mit | SWR, ARTE, RAI |
Buch & Regie | Marcus Vetter |
Kamera | Jörg Widmer Christoph Lerch |
Soundmix | Fabian Schaller |
Kolorierung Footage | Marcela Rossilini |
Art Director | Michele Gentile |
Musik | Christian Henschl Jens Huerkamp |
Produzent | Ulf Meyer Louise Rosen Juan Villaverde |
Redaktion | Gudrun Hanke El-Ghomri, SWR Simone Reuter, SWR Peter Gottschalk, ARTE |
Weltvertrieb | Louise Rosem Ltd. |
Dreh: | Juli – September 2020 |
Format: | HD/Dolby Digital / 1:1.85 |