Ein Film von Marcus Vetter
Schauplatz Argentinien Ende 2001. Nach drei Jahren Hyperrezession und dem Zusammenbruch des Bankensystems stehen viele argentinische Firmen vor dem Abgrund und können die Löhne nicht mehr bezahlen. So ergeht es auch der Textilfabrik Brukman, die zu diesem Zeitpunkt etwa 120 Arbeiter beschäftigt und in den letzten Wochen der Krise nur noch einen Wochenlohn von etwa 5 -10 Pesos ausbezahlen kann.
DIE SCHLACHT UM BRUKMAN erzählt die Geschichte von etwa 30 Näherinnen, die ihre von der Pleite bedrohte Näherei am 17. Dezember 2001 einfach besetzen und unter Eigenregie fortführen. Von den etwa 200 Betrieben, die in Argentinien zwischen 2001 und 2003 besetzt wurden, gehört Brukman zu den bekanntesten. Bei Brukman wird hochwertige Mode internationaler Marken wie Yves Saint Laurent, Cacharel, Christian Dior oder Paco Rabanne produziert, hauptsächlich von Frauen.
Als am 18. Dezember überall im Land Hungerrevolten ausbrechen, besetzen in der selben Nacht etwa 40 Arbeiter und Arbeiterinnen der Näherei Brukman das Fabrikgebäude. Es sind in der Mehrzahl unpolitische Frauen, die lediglich ihren Arbeitsplatz verteidigen wollen. Am Anfang ging es ihnen nur darum, ihre ausstehenden Löhne zu erstreiten. Die Erfahrung des Kampfes und der Solidarität führten bei vielen zu einer enormen Politisierung. Bald forderten sie, dass die Fabrik vom Staat enteignet und ihnen in Selbstverwaltung überlassen werden sollte.
Übers Internet verbreitet sich die Nachricht der Besetzung wie ein Lauffeuer um die Welt. Die Näherinnen werden zu Helden eines neuen Klassenkampfes. Sie fangen an, Marx und Trotzki zu lesen und gehen für eine gerechtere Gesellschaft auf die Strasse. Mit der Unterstützung von Arbeiterparteien fordern sie die Enteignung ihres ehemaligen Chefs Jacobo Brukman.
Bald stellt sich jedoch heraus, dass die Opfer der Argentischen Finanzkrise nicht nur die Arbeiter sind, die um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen, sondern auch die Unternehmer, die zusehen müssen, wie ihr Lebenswerk in die Brüche geht. Die Schuld wird dennoch medienwirksam den jüdischen Besitzern der Textilfabrik BRUKMAN in die Schuhe geschoben, die im Laufe der Geschichte zum kapitalistischen Feindbild avancieren und am Ende sogar als personifizierter Schweinskopf durch die Gassen von Buenos Aires getragen werden.
Nach einem Jahr und 4 Monaten wird der Traum der Selbstbestimmung allerdings jäh zerstört. In den frühen Morgenstunden des 17. April 2003 erstürmt die Polizei die Textilfabrik BRUKMAN und erobert das Fabrikgebäude zurück. Als wenige Tage später einige Arbeiterinnen von Brukman mit der Unterstützung von Tausenden Demonstranten die Polizeisperren durchbrechen wollen, um die Fabrik erneut einzunehmen, kommt es zu blutigen Ausschreitungen.
Seitdem stehen die Maschinen bei Brukman still. Die Fabrik wird Tag und Nacht von der Polizei bewacht. Jacobo Brukman ist aus Angst vor Repressionen aus der geflohen und die Arbeiter haben vor den Toren der Fabrik ein Zeltlager errichtet, um von hier aus weiter für ihren Traum einer gerechteren Gesellschaft zu kämpfen.
Der Dokumentarfilmregisseur Marcus Vetter, der selbst in Buenos Aires gelebt hat, stößt auf die Geschichte der Näherinnen von Brukman während einer Argentinienreise im Jahr 2002. Beeindruckt von der Entschlossenheit der Frauen, ihren Arbeitsplatz zu verteidigen, beginnt er spontan ihre Geschichte zu erzählen. Die Geschichte einer Minorität, wie sich bald herausstellt. Denn 80 der insgesamt 120 Arbeiter waren gegen die Besetzung der Fabrik. Ihr Arbeitgeber Jacobo Brukman, so erzählen sie, sei immer ein guter Chef gewesen, der in besseren Zeiten sogar Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezahlt habe.
Wer sind die Opfer der Argentischen Finanzkrise? Die Arbeiter, die verzweifelt um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen? Jacobo Brukman, der durch die Wirtschaftskrise nicht nur seine Fabrik verliert, sondern am Ende auch noch als Erzkapitalist übelster Sorte abgestempelt wird?
In dieser Geschichte gibt es nicht nur eine Wahrheit. „Die Schlacht um Brukman“ ist der Kampf der Arbeiter ums eigene Überleben und es ist eine Schlacht widersprüchlicher Sichtweisen um Wahrheit und Gerechtigkeit.
Die Dreharbeiten enden abrupt. Ostern 2003 wird die Fabrik in einer Nacht- und Nebelaktion von der Polizei gestürmt und zwangsgeräumt. Drei Tage später versuchen die Näherinnen mit der Unterstützung von Tausenden Demonstranten die Fabrik zurückzuerobern. Der Aufstand wird brutal niedergeschlagen.
Doch dann erhält die Geschichte eine überraschende Wendung.
Produktionsjahr | 2004 |
Länge | 58 Minuten |
Eine Produktion von | Filmperspektive Indian Summer Motion Pictures Produktion SWR WDR |
In Kooperation mit | Radio Bremen Arte |
Buch & Regie | Marcus Vetter |
Executive Producer | Achim Johne |
Associated Producer | Holger Schüppel |
Kamera | Valentin Soza |
Schnitt | Saskia Metten |
Ton | Walter Pereira |
Recherche | Elizabeth Avila |
Farbkorrektur | Martin Rimpf |
Assistenz | Annette Burchard |
Mischung | Christian Eickhoff |
Produktion | Eva Schmitt |
Redaktion | Gerhard Widmer Roberto Sanchez |
2004 | FIPA, Festival International de Programmers Paris |