Ein Film von Dominik Wessley und Marcus Vetter
Eine Film von Dominik Wessley und Marcus Vetter
Als die Glashütte Theresienthal im April 2001 Insolvenz anmeldet, geht eine Tradition des Glasmachens zu Ende, die mehr als ein halbes Jahrtausend zurückreicht. Die Botschaft scheint klar: für ein Unternehmen, das sich seit 500 Jahren kaum verändert hat, ist in einem globalisierten Markt kein Platz mehr. Doch die ehemaligen Mitarbeiter geben nicht auf…
Der Film begleitet ehemalige Arbeiter des Betriebs, die zusammen mit Partnern der Eberhard von Kuenheim Stiftung und anderen Mitstreitern einen Neustart für Theresienthal unternehmen: durch Eigeninitiative, Kreativität und ungewöhnliche Ideen überwinden sie den schon sprichwörtlichen deutschen Stillstand und schließlich auch ihre Langzeitarbeitslosigkeit. Seit August 2004 wird in Theresienthal wieder Glas gemacht.
39 Jahre lang ist das Leben von Max Hannes mit der Kristallglasmanufaktur Theresienthal verbunden: Im Alter von 14 Jahren beginnt er hier seine Lehre als Glasschleifer, dann wird er Meister, schließlich Betriebsleiter. Im April 2001 muß die Glashütte Insolvenz anmelden – es ist nur einer von 40.000 Firmenzusammenbrüchen in Deutschland im Jahr 2001. Für die Menschen in Theresienthal bedeutet der Konkurs das Ende einer Jahrhunderte alten Tradition des Glasmachens.
Max Hannes und seine Kollegen reihen sich ein in das Heer der fünf Millionen Arbeitslosen. Zwei Jahre nach der Insolvenz entdecken ein paar junge Idealisten die marode Glashütte im Bayerischen Wald für sich: Christoph Glaser, Mirjam Storim und die Eberhard von Kuenheim Stiftung sind überzeugt, dass nicht alles, was alt ist, deshalb auch wertlos sein muss.
Sie glauben daran, dass selbst in Deutschland die Dinge in Bewegung kommen können, wenn die Menschen Veränderungen zulassen, wenn sie Mut fassen und endlich wieder ihre Phantasie einsetzen, um Neues zu wagen, anstatt nur dem Vergangenen nachzuhängen.
Mit Max Hannes teilen sie einen Traum: In Theresienthal soll wieder Glas gemacht werden. Das beste in Deutschland. Heute, im Sommer 2006, wird in Theresienthal nun schon wieder im zweiten Betriebsjahr Glas gemacht, glüht der Ofen wie in den fünfhundert Jahren davor. 18 Langzeitarbeitslose, die meisten von ihnen in einem Alter, in dem andere bereits an die Rente denken, haben wieder dauerhaft Arbeit gefunden. Sie nennen es „Das Wunder von Theresienthal’.
DIE UNZERBRECHLICHEN begleitet Max Hannes, Christoph Glaser, Mirjam Storim und die Glasmacher von Theresienthal über eine Zeitraum von drei Jahren bei ihrem zähen Kampf um eines der ältesten deutschen Traditionsunternehmen. Eine Rettungsgeschichte, die Hoffnung weckt. Denn erst, nachdem die Glasmacher von Theresienthal schon alles verloren hatten, konnten sie die Zukunft gewinnen.
Der Dokumentarfilm von Dominik Wessely und Marcus Vetter erzählt aber nicht nur eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte – spannend, unterhaltsam und hautnah zeigt er die Fortschritte und Rückschläge der Männer aus Theresienthal auf ihrem oft mühsamen Weg zurück in den Markt. Der Film macht den Zuschauer mit den Protagonisten vertraut (die, obwohl sie nicht immer dieselbe Sprache sprechen, dennoch das gleiche Ziel verfolgen), macht die persönlichen Geschichten hinter der Unternehmensgeschichte spürbar und die Bedeutung, die die Insolvenz und der Neustart für die Beteiligten haben. So ist DIE UNZERBRECHLICHEN ein Lehrstück über Eigeninitiative und ein Plädoyer für partnerschaftliches Engagement geworden.
Wir alle kennen das: Man begegnet einem Menschen, man stößt auf einen Text. Und plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, ist die Neugier geweckt und eine Ahnung macht sich breit, dass da etwas wartet, zu dem man sich schon in Beziehung weiß, ohne dass man recht sagen könnte, wie.
Ein solcher Augenblick steht auch am Anfang der Unzerbrechlichen: Im Sommer 2003 saß ich in München und lauschte der Erzählung eines guten Freundes. Er berichtete von einem Erlebnis, das er einige Tage zuvor gehabt hatte: Er hatte Theresienthal besucht, eine uralte Glashütte im Bayerischen Wald. Sie war pleite gegangen und rottete nun vor sich hin. Der Freund beschrieb mir den Ort: den rußgeschwärzten Dachstuhl, die Halle mit den erkalteten Öfen, die Menetekel des Untergangs: Normaluhren, alle zur gleichen Zeit stehen geblieben, weil der Strom abgestellt worden war. Verstaubte Kalenderblätter, die noch den letzten Arbeitstag anzeigten – den 30. April 2001. Und er erzählte mir von den Menschen, denen er begegnet war: Arbeitslose Glasmacher, Männer und Frauen um die 50, die in Tränen ausbrachen, weil sie immer noch nicht akzeptieren wollten, dass „ihr“ Theresienthal nach fast 600 Jahren auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet war.
Angeregt von meinen inneren Bildern, beschloss ich, die Hütte selbst zu besuchen. Um es kurz zu machen: Die Wirklichkeit hielt der Phantasie nicht nur stand, sie überbot sie bei weitem. So wurden aus einer Erzählung beim Mittagessen knapp drei Jahre Dreharbeiten, in deren Verlauf wir den mühevollen, aber auch wundersamen Weg eines der ältesten deutschen Traditionsunternehmen aus der Pleite zurück in den Markt begleiteten. 240 Stunden Material, aus denen die Cutterin Anja Pohl 93 Minuten herausdestilliert hat. Ihr Anteil am Werden der Unzerbrechlichen kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Nach zahlreichen Arbeiten fürs Formatfernsehen – von Doku-Soap bis Living History – bedeuten Die Unzerbrechlichen für mich die Rückkehr zum klassischen Dokumentarfilm als Autorenfilm. Frei von Redaktions- oder Formatzwängen, gestützt von einem vertrauensvollen Produzenten, konnten wir über Monate hinweg im Schneideraum den Film (er)finden, den wir schon die ganze Zeit gedreht hatten. Die Wiederentdeckung der Langsamkeit als produktives Arbeitsprinzip war eine beglückende Erfahrung.
Fast zwangsläufig hat es unsere profitorientierte Gesellschaft in diese Richtung getrieben, aus der es nun erst einmal schwerlich ein Fortkommen geben wird. Die florierende Discount-Kultur mit Billigangeboten, von denen man vor zehn Jahren nur träumen konnte, scheint zwar oberflächlich betrachtet dank geldwerten Vorteils, wie es so schön heißt, den Verbraucher zu erfreuen. Hinter dem schönen Schein aber droht der Verlust von Qualität, von Arbeit, von Handwerk. 1,49 Euro für sechs Weingläser namens »Reko« – ein solches Angebot eines bekannten schwedischen Holzmöbeldiscounters scheint sich schon auf dem Papier über das traditionelle Glaserei-Handwerk aufs Schäbigste lustig zu machen.
Und während das zynische Gelächter der Discounter noch nachklingt, drücken sich Betriebe wie die traditionelle Glashütte Theresienthal, deren mundgeblasener und handgefertigter Weinkelch »Dagmar« etwa als Schnäppchen mit 29 Euro das Stück zu Buche schlägt, beim Insolvenzverwalter die Klinke in die Hand. Doch gerade ehemalige Mitarbeiter von Theresienthal, seit 2001 arbeitslos, wollten sich nicht zum Opfer der Globalisierung machen lassen und fanden dank großer Kreativität und Engagement zunächst einen potenten Sponsor und seit Mitte 2004 auch wieder den Weg in die Produktion von nunmehr betont traditionsbewußter Handwerkskunst.
Von Oliver Baumgarten
Jenen »Unzerbrechlichen« widmen Dominik Wessely und Marcus Vetter ihren kurzweiligen und entspannt erzählten Dokumentarfilm, der durch seine Protagonisten und seine Dramaturgie ein bißchen wie ein Vertreter jenes Sportfilmgenres wirkt, bei dem eine Handvoll ausgemusterter, kantiger, aber am Ende doch grundsympathischer Ex-Profis noch ein letztes Mal ein Team bildet und am Ende sensationell die Meisterschaft gewinnt. Da ist zum Beispiel der knorrige Glasbläser, ein Meister seiner Klasse, der sich zu Beginn sträubt, wieder einzusteigen, weil er seine gerade vom Amt bewilligte Ich-AG dann sofort wieder vergessen kann. Der ewig zweifelnde, aber grundloyale Vorarbeiter, die ketterauchende Firmeninstitution aus dem Vertrieb: Sie alle werden am Ende gewinnen, und diesen kleinen sozialen Arbeiterpathos, den der Film mitunter verbreitet, läßt man sich auch gerne gefallen. Insgesamt allerdings, auch das eine Stärke des Films, legen uns die Filmemacher doch auch nahe, daß dieses »Wunder von Theresienthal«, wie es die Angestellten nennen, ein kontrolliertes Wunder ist. Keines, das die Arbeiter der globalisierten Wirtschaft abgerungen haben, sondern eines, das man sich aus der globalisierten Wirtschaft heraus leistet. Denn Motor hinter der Theresienthal-Initiative ist die Eberhard von Kuenheim Stiftung – eine Institution aus dem Hause BMW.
Quelle: Schnitt #45
Produktionsjahr | 2006 |
Kinostart Deutschland | 18.01.1007 |
Länge | 96 Minuten |
Produzent | Michael Jungfleisch |
In Co-Produktion mit | ARTE, BR Gambit Filmproduktion GmbH |
Regie | Dominik Wessley |
Co-Regie | Marcus Vetter |
Kamera | Oascal Schmitt Grischa Schmitz |
Schnitt | Anja Pohl |
Verleih | Salzgeber & Co. Medien GmbH |
Gefördert von | MFG Filmförderung Baden-Württemberg FFF Film Förder Fond Bayern FFA Filmförderanstalt des Bundes |
2006 | Göthe Institut Documentary Award Duisburg Filmwoche |
2007 | Film+ Festival – Bester Schnitt (Anja Pohl) |
2007 | 12. Festival des deutschen Films in Paris |
2006 | Filmfest München: reihe Neues Deutsches Kino |